Vernichtung durch Arbeit

Prozesse der Deportation, Ausbeutung und Ermordung im Nationalsozialismus

Nachdem Juden im Zuge von Berufsverboten nicht mehr arbeiten durften, wurden sie zur Zwangsarbeit herangezogen. Auch in Darmstadt gab es sogenannte „Arbeitskommandos“, die zum Beispiel im Winter Straßen von Schnee befreien mussten. Anfangs bekamen die „Arbeiter“ noch einen geringen Lohn, der aber später entfällt. In Darmstadt kommt erschwerend zur Zwangsarbeit noch Erpressung durch ihren „Arbeitgeber“ bzw. Aufseher Friedrich Späth hinzu. Als dieser seitens der jüdischen Gemeinde angezeigt wird, werden auch die Erpressten wegen „Bestechung“ verhaftet und in Schutzhaft genommen. Nach den Ermittlungen sagen sie beim Prozess als Angeklagte oder Zeugen aus und werden danach wieder in Schutzhaft genommen und zwischen April und August 1941 in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Hier, wie in vielen anderen Konzentrationslagern, beginnt der eigentliche Prozess der Vernichtung durch Arbeit. So mussten die KZ-Häftlinge unter schlechtesten Bedingungen leben, schwerste körperliche Arbeit verrichten und wurden zusätzlich noch systematisch schikaniert. Das zeigen die Schreibstubenkarten der im April von Darmstadt nach Dachau verschleppten Opfer des städtischen Aufsehers Späth. Sie enthalten häufig den Eintrag „Strafblock“ und auch wenn keine weiteren Dokumente vorliegen, bedeutet dies zusätzlichen Terror und verschärfte Gewalt.
Waren die Juden nicht mehr in der Lage, im Konzentrationslager die Zwangsarbeiten zu verrichten, starben sie entweder im Lager selbst oder wurden in sogenannte „Heil- und Pflegeanstalten“ gebracht und dort „vernichtet“. Unter dem Namen „Aktion 14f13“ wurden die „kranken und schwachen“ KZ-Häftlinge nach Bernburg, Sonnenstein oder Schloss Hartheim deportiert und getötet. Neun der aus Darmstadt Verschleppten wurden zwischen dem 2. und 14. März 1942 in Bernburg und im Februar bzw. Mai 1942 in Schloß Hartheim ermordet. Der Prozess der „endgültigen“ Vernichtung betrifft damit alle aus Darmstadt Verschleppten: Keiner überlebte Zwangsarbeit und Konzentrationslager.  


Wenn Dokumente sich widersprechen

Die Schreibstubenkarte zeigt, dass Emil Gutenstein kurz nach seinem „Zugang“ im KZ Dachau im Strafblock arrestiert war und damit verschärftem Terror ausgeliefert war.
Schreibstubenkarte KZ Dachau Gutenstein, Emil 1.1.6.7./ 10656302 ITS Digital Archive. Arolsen Archives. 

Namentliches Verzeichnis der Gestapo-Stelle Darmstadt 1.1.6.1./9907824 ITS Digital Archive. Arolsen Archives.
Diese Schreibstubenkarte zeigt, dass auch Siegfried Gans im Strafblock arrestiert war. Diesmal ist der Eintrag in Stenographie erfolgt.
Schreibstubenkarte KZ Dachau Gans, Siegfried 1.1.6.7./ 10646560 ITS Digital Archive. Arolsen Archives.

Nachgefragt

Vergleicht man die Dokumente aus Darmstadt mit den Schreibstubenkarten aus Dachau fällt auf, dass sie sich widersprechen. Während die Darmstädter Gestapoliste suggeriert, dass eine gemeinsame „Verschubung“ aus der Darmstädter Schutzhaft ins KZ Dachau erfolgte, belegen die Karten eine unterschiedliche Ankunft.  Rudolf Adler, Emil Gutenstein, Wilhelm Mayer, Nathan Landauer und Nathan Wolf werden am 11. April, Siegfried Gans, Maximilian Grünfeld, Gottfried Löb, Max Marx, Leopold Mayer, Wilhelm Mayer, Sally Nassauer, Rudolf Steinberg, Leopold Mayer und Wilhelm Mayer erst am 18. April „dem KL Dachau zugeführt“.
Der Eintrag Strafblock findet sich unabhängig vom „Zugangsdatum“ bei 13 der im Rahmen der Projektarbeit gesichteten Schreibstubenkarte. Wir fragten bei Mitarbeitern am Max-Mannheimer-Studienzentrum nach. Die für uns durchgeführte Recherche vor Ort ergab, dass zu diesen Daten keine sogenannten (täglichen) „Veränderungsmeldungen“ erhalten seien,  „,Strafblöcke‘, in die vor allem jüdische Häftlinge bestimmt wurden“ existierten. Damit werden NS-Ideologie und Lagerstrukturen ursächlich dazu geführt haben, dass die Darmstädter verschärfter Gewalt und Terror ausgesetzt waren.

 

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